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2008 „Medea“

Ballett nach Euripides und Grillparzer – SH-Landestheater – Auftragswerk

Musikalische Leitung: Richard Wester
Inszenierung und Choreographie:Stela Korljan
Bühne: Udo Hesse
Kostüm:Udo Hesse / Stela Korljan
Dramaturgie: Regina Härtling
Fotos: Heiner Seemann, Gertrud Termansen
Presse

"Medea" war außergewöhnlich

20. Oktober 2008 | 04:30 Uhr | Von Karin Hartmann

Rund 400 Besucher im Theater in der Stadthalle sahen eine überzeugende Ballett-Uraufführung.

Die Tanz-Compagnie des Landestheaters überzeugte die Besucher.

Einen Theaterabend der besonderen Art erlebte das Publikum am Sonnabend, denn die Tanz-Compagnie des Landestheaters, seit 2000 unter Leitung der Choreographin Stela Korljan, sorgte wieder einmal für eine emotional aufwühlende, tänzerisch hervorragende Aufführung – eine Uraufführung.

Für das Ballett „Medea“ konzipierten Stela Korljan und ihr Team eine eigene Tanzsprache, schuf Richard Wester (im Auftrag des Landestheaters) eigene Klangwelten. Er und seine neun Mit-Musiker interpretierten die Kompositionen hervorragend; durch die Klangfarben der Instrumente entstanden ganz besondere Stimmungen, die durch die beiden Sänger Helene Blum (die Seele Medeas) und George Nussbaumer (der blinde Seher Teiresias) noch verstärkt wurden.

Die Handlungsgrundlage ist die tragische und zeitlose Geschichte der Medea, der Hüterin des Goldenen Vliesses. Sie verlässt ihre Heimat Kolchis, tötet den eigenen Bruder, folgt dem Griechen Jason nach Korinth.

Dort bleibt sie eine Fremde und Andersartige, verliert den Gatten an die Königstochter Glauke, rächt sich an Jason, in dem sie ihm das Liebste nimmt: sie tötet die gemeinsamen Kinder.

Diese Episoden der Medea-Mythologie laufen auf der Bühne nicht chronologisch ab, einige werden in Rückblenden deutlich, andere durch Traumvisionen, manche nur angedeutet, und dennoch ist die Handlung immer verständlich. Sowohl in der Tanzsprache als auch in der Musik stehen archaische Formen neben griechischen Elementen, stehen Tonreihen, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen, neben konventionellen Musik-Elementen, steht die ungebändigte Emotionalität Medeas neben klassisch-hochmütiger, aber auch unmenschlicher Zivilisation.

Überzeugend waren alle tänzerischen Leistungen, bewundernswert die der Solisten. Als Medea begeisterte Alexandra-Daniela Pascu, immer kenntlich als Außenseiterin: in ihrer Heimat Kolchis (großartig das „Niedertrampeln“ ihres Bruders; gut Svetoslav Velinov) und als „Störenfried“ in Griechenland; atemberaubend, wie in Trance, in der Schluss-Szene. Sehr bühnenwirksam waren die Kostüme, die die Welt der Medea ebenso gut verdeutlichten wie die griechische Hofgesellschaft, den „Verräter“ Jason (Azat Gharibyan), König Kreon (Armen Gevorgyan) und seine Tochter (Li Tan). Körper- und Klangsprache, Tanz und Musik flossen im Verlauf des Gesamtkunstwerks immer stärker zu einer Symbiose zusammen. Die knapp 400 Theaterbesucher spürten, dass sie etwas Außergewöhnliches erlebt hatten.

Quelle: tanznetz.de / Kritiken 2007

Presse

Furiose Rache der antiken Kindsmörderin

Es geht um Liebe und Zurückweisung, um Tod und Rache – die griechische Kindsmörderin Medea steht beim Landestheater-Ballett im Mittelpunkt.

von Jennifer Ots 14. September 2008, 07:17 Uhr

Rendsburg | Medea, das ist die Figur aus der griechischen Sage, die aus Rache an ihrem Geliebten ihre Kinder tötet. Aber nicht diesen Aspekt wollten die Choreographin des Landes Theater Schlewig-Holstein, Stela Korljan, und Komponist Richard Wester beleuchten, sondern was eine Frau dazu treibt.

Bei der Premiere am Sonnabend im Rendsburger Theater erwartet das Publikum zunächst ein transparenter Vorhang, auf dem dunkle Wellen projiziert ist. Meeresrauschen ertönt. Medea, angespannt auf dem Boden liegend im langen roten Kleid, schimmert durch. Richard Westers Komposition mit Elementen aus Folklore, U-Musik und Jazz besticht. Das ist keine „Begleitmusik“, sondern dramaturgisches Mittel. Das hervorragende Ensemble erhält noch mehr „Unterstützung“: die Sänger Helene Blum und George Nussbaumer als Psyche Medeas und blinder Seher – Nussbaumer ist tatsächlich blind.

Kraftvolle Stimmen

Die satten und betörenden Stimmen – insbesondere der Dänin Helene Blum – wirken für sich, kraftvoll ergänzen sie das Gesamterlebnis. Die Bühne ist nach hinten hin durch schmale weiße, halbtransparente Stoffbahnen begrenzt, durch die die zehn Musiker inklusive Saxophonist Richard Wester sichtbar sind.

Medeas Tanz um und mit Jason, ihrem „Traum“-Mann, der sie verlassen wird, um Glauke zu heiraten, scheint nie fließend, jede Bewegung ist angespannt und bewusst eingesetzt. Ein Leitmotiv ist das manische Raffen der Röcke – Medea als Geliebte, als Mutter. Und als Mörderin. Einer der Höhepunkte ist die Ermordung Absyrtos, ihres Bruders. Jason zuliebe.

Zehn Minuten Applaus

Als der die Frau verstößt, die für ihn ihre Heimat verraten hat und nun in seinem Land als Fremde behandelt wird, werden Medeas Bewegungen weicher, sie wankt und windet sich. Überhaupt: es wird aneinandergeklammert, sich gestützt, umarmt, sich auf dem Boden liegend zueinander hingezogen. Man versteht, worum es geht.

Als die Bühne nach 80 kurzweiligen Minuten in gleißendes Weiß getaucht wird bricht ein verdienter zehnminütiger Schlussapplaus los – für die Tänzer gleichermaßen wie für die Musik.

Quelle: https://www.shz.de/478371 ©2021